Strafantrag: Berechnung der Antragsfrist

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In BGer 6B_451/2009 vom 23.10.2009 äussert sich das Bundesgericht zu seiner Praxis für die Berechnung der Strafantragsfrist gemäss Art. 31 StGB (siehe auch BGer 6B_559/2009 vom 3.11.2009):

Gemäss Art. 31 StGB erlischt das Antragsrecht nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem der antragsberechtigten Person der Täter bekannt wird, was auch die Kenntnis der Straftat voraussetzt (BGE 126 IV 131 E. 2a S. 132; 121 IV 272 E. 2a S. 275; Christof Riedo, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 2. Aufl. 2007, N. 5 zu Art. 31 StGB). Solange aufgrund der Sachlage unklar ist, ob überhaupt ein Delikt begangen wurde, beginnt die Frist mithin nicht zu laufen. Der Fristenlauf beginnt erst, wenn der antragsberechtigten Person neben den objektiven auch die subjektiven Tatbestandselemente bekannt sind (Urteil 6B_396/2008 vom 25. August 2008 E. 3.3.3 mit Hinweisen; Christof Riedo, Der Strafantrag, Diss. 2004, S. 454; derselbe, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 13 zu Art. 31 StGB).

Bekannt im Sinne von Art. 31 StGB ist der Täter nicht schon, wenn der Verletzte gegen eine bestimmte Person einen Verdacht hegt. Erforderlich ist vielmehr eine sichere, zuverlässige Kenntnis, die ein Vorgehen gegen den Täter als aussichtsreich erscheinen lässt und die antragsberechtigte Person gleichzeitig davor schützt, wegen falscher Anschuldigung oder übler Nachrede belangt zu werden (BGE 126 IV 131 E. 2a S. 132; Urteil 6B_396/2008 vom 25. August 2008 E. 3.3.3; je mit Hinweisen). Die berechtigte Person ist nicht verpflichtet, nach dem Täter zu forschen, und das blosse Kennenmüssen des Täters oder ein blosser Verdacht löst die Antragsfrist nicht aus (BGE 101 IV 113 E. 1b S. 116). Entsprechendes gilt in Bezug auf die Kenntnis der Tat.

In diesem Zusammenhang können sich dann Probleme ergeben, wenn mehrere Personen ein selbständiges Antragsrecht haben (z.B. ein 17-jähriges Opfer und seine Eltern als gesetzliche Vertreter): Was ist wenn das Opfer nach Ablauf der Antragsfrist seine Eltern von der Tat erzählt? Soweit ersichtlich hat sich das Bundesgericht dazu noch nicht geäussert. Auch die Lehre gibt keine eindeutige Antwort (vgl. einschlägige Kommentare).

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  1. admin
    Jan 22, 2010 @ 21:48:44

    Bemerkenswert ist die Meinung von Trechsel und Jean-Richard (in Praxiskommentar, N 14 ad Art. 31 StGB), wonach der Angeschuldigte zu beweisen hat, dass die Antragsfrist abgelaufen ist. Andere Autoren äussern sich hierzu kritisch mit dem Hinweis, dass die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen zu prüfen ist. Zudem trage eine solche Benachteiligung des Angeschuldigten dem Grundsatz in dubio pro reo keine Rechnung. Die erwähnten Autoren sind jedoch der Auffassung, dass in diesem Bereich die Unschuldsvermutung nicht gelte, mithin im Zweifelsfall die Frist als eingehalten gelte (vgl. auch BGE 97 I 774).

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