Öffentliche Abgaben

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Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat sich in VGE 100.2008.23282 vom 22.10.2008 (publiziert in BVR 2009, S 252-260) ziemlich ausführlich zu den verschiedenen Arten der öffentlichen Abgaben geäussert (E. 3.1, S. 256): More

Streitwert bei erbrechtlichen Klagen

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In einer erbrechtlichen Streitigkeit gelangte der Beschwerdeführer ans Bundesgericht (BGer 5A_727/2009 vom 5.2.2010) mit folgenden Rechtsbegehren:

  • Das vom Erblasser mit Datum vom 2. September 1988 errichtete Testament für sei ungültig,
  • eventuell die Beschwerdegegnerin für erbunwürdig zu erklären.

Es stellte sich unter Anderem die Frage, wie der Streitwert zu bemessen ist. Der Beschwerdeführer stellte sich auf den Standpunkt, dass sein allfälliger Prozessgewinn massgebend sei (CHF 400′000.00) und nicht der ganze Nachlass (CHF 900′000.00). Seinen Standpunkt hat er wie folgt begründet: Es könne nicht sein, dass für ihn als Kläger ein Prozessrisiko entstehe, das unter Umständen weit über den Betrag hinausgehe, der sein Vorteil im Falle des Obsiegens sein könne.

Das Bundesgericht kommt trotzdem zum Schluss, dass der Wert des ganzen Nachlasses massgebend ist:

4.3 [...] Nach allgemeinen Prozessrechtsgrundsätzen bestimmt sich der Streitwert nach den Klagebegehren und – im Falle unbezifferbarer Ansprüche – nach dem objektiven Wert des Streitgegenstandes (vgl. Hohl, a.a.O, N. 1828-1832 S. 79; Leuch/MarBACH/KELLERHALS/STERCHI, a.a.O., N. 1b zu Art. 138 ZPO/BE, je mit Hinweisen). Dieser objektive Wert darf aber nicht einfach mit dem unmittelbaren Vorteil oder Interesse des Klägers gleichgesetzt werden, sondern kann von der Rechtsnatur der Streitigkeit abhängen.

So richtet sich der Streitwert im Prozess über den Bestand einer Dienstbarkeit nach dem Interesse des Klägers an der Gutheissung seiner Begehren oder nach dem Interesse des Beklagten an der Abweisung der Klage, wobei das betragsmässig höhere Interesse massgebend ist (vgl. BGE 109 II 491 E. 1c/cc S. 492 f.). Der Streitwert im Erbteilungsprozess entspricht dem ganzen Nachlass und nicht dem Erbanteil, der dem Kläger zukommt, wenn der Teilungsanspruch als solcher streitig ist (vgl. BGE 127 III 396 E. 1b/cc S. 398). Die Beispiele liessen sich vermehren (allgemein: BGE 109 II 245 E. 1 S. 248/249), und ein ebensolches durfte willkürfrei im Fall der Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit angenommen werden. Im Unterschied zur Ungültigerklärung einer Verfügung von Todes wegen, die nur zwischen den Prozessparteien wirkt (BGE 81 II 33 E. 3 S. 36), scheidet der für erbunwürdig erklärte – hier: eingesetzte – Erbe mit Wirkung für alle anderen Erben als Erbe aus (vgl. BGE 132 III 315 E. 2.1 S. 317 ff.). Diesen Anteil des – zu Gunsten aller anderen Erben – ausscheidenden Erben der Streitwertberechnung zugrunde zu legen, kann sachlich und damit ohne Willkür mit der Wirkung des Urteils über die Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit begründet werden (vgl. Brückner/Weibel, Die erbrechtlichen Klagen, 2.A. Zürich 2006, N. 107-110 S. 52; zur gleichlaufenden, in der Lehre teilweise kritisierten Gerichtspraxis in Deutschland: ROSENBERG/SCHWAB/GOTTWALD, Zivilprozessrecht, 16.A. München 2004, § 32 N. 58 S. 198, und HELMS, Münchener Kommentar, 2004, N. 6 zu § 2342 BGB, je mit Hinweisen). [Hervorhebungen durch HZ]

Nice to know, aber trotzdem etwas problematisch, insbesondere mit Blick auf Art. 91 Abs. 1 ZPO, wonach allfällige Eventualbegehren dem Streitwert nicht hinzugerechnet werden. Hauptbegehren ist in casu die Ungültigerklärung des Testaments, welche – wie das BGer erwähnt – inter partes wirkt. Erbunwürdigkeit ist bloss eventualiter beantragt worden. Daher ist meines Erachtens der Streitwert nur mit Blick auf die Wirkungen der Ungültigkeitsklage zu bestimmen, mithin auf CHF 400′000.00 festzusetzen.

Dagegen könnte man mit Art. 93 Abs. 1 ZPO argumentieren: Bei Klagenhäufung werden die geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber bloss um eine eventuelle Klagenhäufung, so dass der Grundsatz von Art. 91 Abs. 1 ZPO vorgeht. Im Falle der Gutheissung des Hauptbegehrens würde man auf das Eventualbegehren nicht eintreten.

Schlussfolgerung: Wahrscheinlich wäre die fremde Prozessfinanzierung eine gute Sache für den Beschwerdeführer (Gerichtskosten = CHF 15′000.00).

PS: Der Fall ist auch mit Blick auf Beweisführung und -würdigung sehr interessant.

Geldstrafe vs. Freiheitsstrafe

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Im gestern veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts BGer 6B_721/2009 vom 18.2.2010 geht es unter anderem um die Frage, welche Sanktionsart für Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr zu wählen ist:

4.2 Der neue Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches sieht für Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr die Geldstrafe (Art. 34 StGB) und die Freiheitsstrafe (Art. 40 StGB) vor. Bei der Wahl der Sanktionsart ist als wichtiges Kriterium die Zweckmässigkeit einer bestimmten Sanktion, ihre Auswirkungen auf den Täter und sein soziales Umfeld sowie ihre präventive Effizienz zu berücksichtigen (BGE 134 IV 97 E. 4.2; 134 IV 82 E. 4.1). Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit soll bei alternativ zur Verfügung stehenden Sanktionen im Regelfall diejenige gewählt werden, die weniger stark in die persönliche Freiheit des Betroffenen eingreift bzw. die ihn am wenigsten hart trifft. Im Vordergrund steht daher auch bei Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr die Geldstrafe, als gegenüber der Freiheitsstrafe mildere Sanktion (BGE 134 IV 97 E. 4.2.2; 134 IV 82 E. 4.1). Die Geldstrafe kann auch für einkommensschwache Täter, d.h. für solche mit sehr geringem, gar unter dem Existenzminimum liegendem Einkommen ausgefällt werden (BGE 134 IV 97 E. 5.2.3 und 5.2.4). Das Gericht hat im Urteil die Wahl der Sanktionsart zu begründen (Art. 50 StGB). Der blosse Verweis auf die Schwere des Verschuldens und die Vorstrafen genügt den Begründungsanforderungen nicht (Urteil des Bundesgerichts 6B_289/2009 vom 16. September 2009 E. 2.7.2). [Hervorhebungen durch HZ]
Gestützt auf diese Erwägungen kam das Bundesgericht im konkret zu beurteilenden Fall zum Schluss, dass die Vorinstanz ihrer Begründungspflicht bei der Sanktionswahl nicht nachgekommen ist. Zudem wird der Vorrang der Geldstrafe ein weiteres Mal hervorgehoben:
4.3 Die Vorinstanz erwägt im angefochtenen Entscheid, die Ausfällung einer Geldstrafe sei angesichts des zu ahndenden Gewaltdelikts, welches von einer erheblichen kriminellen Energie des Angeklagten zeuge, keine schuldadäquate Sanktion. Als angemessene und zweckmässige Sanktion komme ausschliesslich eine Freiheitsstrafe in Frage.
Damit verkennt sie, dass der Geldstrafe entsprechend dem Prinzip der Verhältnismässigkeit auch bei Strafen von sechs Monaten bis zu einem Jahr Vorrang zukommt. Dies gilt für sämtliche Deliktsarten. Mit dem Schuldprinzip unvereinbar wäre es, einzelne Deliktsgruppen wie etwa Gewaltdelikte als der Geldstrafe unwürdig zu betrachten, da das Verschulden bereits beim Strafmass zu berücksichtigen ist. Unzulässig ist es daher, eine Freiheitsstrafe anstelle einer Geldstrafe ausschliesslich mit der erheblichen kriminellen Energie des Beschwerdeführers zu begründen. Der angefochtene Entscheid genügt den Begründungsanforderungen nicht. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen. [Hervorhebung durch HZ]

Schlussfolgerung: Bei der Prüfung der Sanktion ist zunächst vom Schuldprinzip ausgehend die Anzahl der Strafeinheiten festzustellen. Anschliessend ist die Sanktionsart zu wählen, wobei der Geldstrafe Vorrang zukommt. Nicht zu vergessen ist, dass mehrere Sanktionsarten gewählt werden können oder unter Umständen gar müssen: namentlich sei die Busse bei Übertretungen erwähnt, welche nebst eines Verbrechens oder Vergehens zu beurteilen ist.