Wann ist das Opfer zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert?

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Das Beschwerderecht wird in Art. 81 BGG definiert. Interessant ist meist die zweite Voraussetzung der Beschwerdelegitimation, mithin das rechtlich geschützte Interesse.

In BGer 6B_765/2009 vom 7.1.2010 ging es um Folgendes: Das Opfer erstattete am 25.2.2009 Strafanzeige gegen den angeblichen Täter, der am 4.3.2009 wegen versuchter Nötigung in erster Instanz schuldig erklärt wurde. Auf Berufung des Verurteilten sprach das Kantonsgericht Schwyz den angeblichen Täter am 16.6.2009 frei und eröffnete das Urteil im Dispositiv. Anschliessend ersuchte das Opfer das Kantonsgericht, das Urteil vom 16.6.2009 zu begründen.

Nach Abweisung dieses Begehrens (u.A. mangels Leistung eines Gerichtskostenvorschusses) gelangt das Opfer ans Bundesgericht, welches auf die Beschwerde in Strafsachen mangels Beschwerdelegitimation nicht eintritt. Mit folgender Begründung: More

Wenn das BGer Ermessensentscheide “frei” zu überprüfen hat…

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… übt es am liebsten Zurückhaltung aus. So in BGer 4a_476/2009 vom 2.12.2009, wenn es darum ging, ob ein wichtiger Grund i.S.v. Art. 337 OR für die fristlose Kündigung eines Arbeitsvertrages vorliegt. Dazu Folgendes:

3.1 Nach Art. 337 OR kann der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit fristlos auflösen (Abs. 1). Als wichtiger Grund gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Abs. 2). Nach der Rechtsprechung ist eine fristlose Entlassung nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tief greifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zuzumuten ist. Anderseits müssen sie auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Sind die Verfehlungen weniger schwerwiegend, so müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein (BGE 129 III 380 E. 2.1 mit weiteren Hinweisen). Bei der Gewichtung einer Pflichtverletzung ist bei Kaderpersonen auf Grund des ihnen entgegengebrachten besonderen Vertrauens und der Verantwortung, welche ihnen ihre Funktion im Betrieb überträgt, ein strenger Massstab anzulegen (BGE 130 III 28 E. 4.1 S. 31; 127 III 86 E. 2c S. 89). Entsprechend hat das Bundesgericht bei einem Arbeitnehmer, der als Personalleiter eine Vertrauensposition im Betrieb innehatte, eine Täuschung des Arbeitgebers durch das wahrheitswidrige Herstellen von Dokumenten für die Buchhaltung als wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung qualifiziert (BGE 124 III 25 E. 3a S. 27 f.).
Es sind also “besonders schwere Verfehlungen des Arbeitnehmers” erforderlich, damit das Arbeitsverhältnis fristlos aufgehoben werden kann. Der Bundesgesetzgeber verlangt in Art. 337 Abs. 3 OR, dass der Richter über solche Umstände nach seinem Ermessen entscheidet. Für das BGer bedeutet dies konkret:
3.2 Über das Vorhandensein eines wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (Art. 337 Abs. 3 OR). Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht bei Beschwerden in Zivilsachen grundsätzlich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die zwingend hätten beachtet werden müssen. Ausserdem greift das Bundesgericht in Ermessensentscheide ein, falls sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 129 III 380 E. 2 mit weiteren Hinweisen).

Die Schlussfolgerung: Nur kantonale Gerichte haben frei nach ihrem Ermessen zu entscheiden; das BGer entscheidet nur “zurückhaltend frei”. Es fragt sich, ob diese Zurückhaltung gegen Art. 337 Abs. 3 OR verstösst. Dieses Vorgehen des Bundesgerichts ist insbesondere für jenen Fall ungeeignet, wenn der Beschwerdeführer in erster Instanz obsiegt und erst die zweite Instanz seine Anträge abweist.