Begriff des Streitgegenstandes im Zivilprozessrecht

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Die Frage ist, ob für die Bestimmung des Streitgegenstandes in einem Zivilprozess ausschliesslich die Rechtsbegehren massgebend sind (sog. eingliedrig) oder der Antrag und der Sachverhalt dafür entscheidend sind (zweigliedrig). Die h.L. und das BGer folgen dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff.

Aus BGE 97 II 390: More

Zur Bestimmtheit des Zinsbegehrens

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Oft wird in der Praxis zusätzlich zu einer eingeklagten Forderung Verzugszins mit dem Rechtsbegehren “seit wann rechtens” gefordert.

Im Urteil 4D_103/2008 vom 6. November 2008 führte des Bundesgericht in der Erwägung 3 zu dieser Formulierung was folgt aus:

“Der Beschwerdeführer beantragt die Zusprechung von 5 % Zins “seit wann rechtens” auf die geltend gemachte Forderung von Fr. 4′129.60. Der eingeklagte Betrag von Fr. 4′129.60 stellt eine zulässige Reduktion des vor der Vorinstanz gestellten Begehrens dar. Auf den Antrag auf Zusprechung von 5 % Zins “seit wann rechtens” ist hingegen nicht einzutreten, da es sich dabei um einen ungenügenden Antrag auf Verpflichtung der Gegenpartei zur Zahlung eines unbezifferten Geldbetrags sowie um ein neues unzulässiges Begehren handelt (Art. 117 i.V.m. Art. 99 Abs. 2 BGG).”

Fazit: Das Erfordernis der Bestimmtheit eines Rechtsbegehrens erfasst auch das Zinsbegehren. Die Aufnahme eines unbezifferten Zinsbegehrens ist nicht empfehlenswert. Wie das Hauptbegehren ist auch das Zinsbegehren so bestimmt anzugeben, dass es das Gericht im Falle der Gutheissung tel quel zum Urteil erheben kann.

Unentgeltliche Rechtsverbeiständung nach Art. 64 BGG

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In einem heute veröffentlichen Urteil (1F_30/2009 vom 15.4.2010) hat das Bundesgericht Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BGG erläutert. In eine Beschwerde in Strafsachen wurde teilweise gutgeheissen und der Kanton wurde wurde verurteilt, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von CHF 1′500.00 auszurichten. Im Rahmen dieses Verfahrens hatte der Beschwerdeführer im Falle der Abweisung der Beschwerde uP beantragt. Der Kanton hat in der Folge die Parteientschädigung mit weiteren Gerichtskosten verrechnet. Mit anderen Worten erhielt die Anwältin nichts. Allerdings wusste sie bereits im vorangehenden Verfahren von der Verrechnungsmöglichkeit und hat nichts erwähnt. More

Streitwert bei erbrechtlichen Klagen

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In einer erbrechtlichen Streitigkeit gelangte der Beschwerdeführer ans Bundesgericht (BGer 5A_727/2009 vom 5.2.2010) mit folgenden Rechtsbegehren:

  • Das vom Erblasser mit Datum vom 2. September 1988 errichtete Testament für sei ungültig,
  • eventuell die Beschwerdegegnerin für erbunwürdig zu erklären.

Es stellte sich unter Anderem die Frage, wie der Streitwert zu bemessen ist. Der Beschwerdeführer stellte sich auf den Standpunkt, dass sein allfälliger Prozessgewinn massgebend sei (CHF 400′000.00) und nicht der ganze Nachlass (CHF 900′000.00). Seinen Standpunkt hat er wie folgt begründet: Es könne nicht sein, dass für ihn als Kläger ein Prozessrisiko entstehe, das unter Umständen weit über den Betrag hinausgehe, der sein Vorteil im Falle des Obsiegens sein könne.

Das Bundesgericht kommt trotzdem zum Schluss, dass der Wert des ganzen Nachlasses massgebend ist:

4.3 [...] Nach allgemeinen Prozessrechtsgrundsätzen bestimmt sich der Streitwert nach den Klagebegehren und – im Falle unbezifferbarer Ansprüche – nach dem objektiven Wert des Streitgegenstandes (vgl. Hohl, a.a.O, N. 1828-1832 S. 79; Leuch/MarBACH/KELLERHALS/STERCHI, a.a.O., N. 1b zu Art. 138 ZPO/BE, je mit Hinweisen). Dieser objektive Wert darf aber nicht einfach mit dem unmittelbaren Vorteil oder Interesse des Klägers gleichgesetzt werden, sondern kann von der Rechtsnatur der Streitigkeit abhängen.

So richtet sich der Streitwert im Prozess über den Bestand einer Dienstbarkeit nach dem Interesse des Klägers an der Gutheissung seiner Begehren oder nach dem Interesse des Beklagten an der Abweisung der Klage, wobei das betragsmässig höhere Interesse massgebend ist (vgl. BGE 109 II 491 E. 1c/cc S. 492 f.). Der Streitwert im Erbteilungsprozess entspricht dem ganzen Nachlass und nicht dem Erbanteil, der dem Kläger zukommt, wenn der Teilungsanspruch als solcher streitig ist (vgl. BGE 127 III 396 E. 1b/cc S. 398). Die Beispiele liessen sich vermehren (allgemein: BGE 109 II 245 E. 1 S. 248/249), und ein ebensolches durfte willkürfrei im Fall der Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit angenommen werden. Im Unterschied zur Ungültigerklärung einer Verfügung von Todes wegen, die nur zwischen den Prozessparteien wirkt (BGE 81 II 33 E. 3 S. 36), scheidet der für erbunwürdig erklärte – hier: eingesetzte – Erbe mit Wirkung für alle anderen Erben als Erbe aus (vgl. BGE 132 III 315 E. 2.1 S. 317 ff.). Diesen Anteil des – zu Gunsten aller anderen Erben – ausscheidenden Erben der Streitwertberechnung zugrunde zu legen, kann sachlich und damit ohne Willkür mit der Wirkung des Urteils über die Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit begründet werden (vgl. Brückner/Weibel, Die erbrechtlichen Klagen, 2.A. Zürich 2006, N. 107-110 S. 52; zur gleichlaufenden, in der Lehre teilweise kritisierten Gerichtspraxis in Deutschland: ROSENBERG/SCHWAB/GOTTWALD, Zivilprozessrecht, 16.A. München 2004, § 32 N. 58 S. 198, und HELMS, Münchener Kommentar, 2004, N. 6 zu § 2342 BGB, je mit Hinweisen). [Hervorhebungen durch HZ]

Nice to know, aber trotzdem etwas problematisch, insbesondere mit Blick auf Art. 91 Abs. 1 ZPO, wonach allfällige Eventualbegehren dem Streitwert nicht hinzugerechnet werden. Hauptbegehren ist in casu die Ungültigerklärung des Testaments, welche – wie das BGer erwähnt – inter partes wirkt. Erbunwürdigkeit ist bloss eventualiter beantragt worden. Daher ist meines Erachtens der Streitwert nur mit Blick auf die Wirkungen der Ungültigkeitsklage zu bestimmen, mithin auf CHF 400′000.00 festzusetzen.

Dagegen könnte man mit Art. 93 Abs. 1 ZPO argumentieren: Bei Klagenhäufung werden die geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber bloss um eine eventuelle Klagenhäufung, so dass der Grundsatz von Art. 91 Abs. 1 ZPO vorgeht. Im Falle der Gutheissung des Hauptbegehrens würde man auf das Eventualbegehren nicht eintreten.

Schlussfolgerung: Wahrscheinlich wäre die fremde Prozessfinanzierung eine gute Sache für den Beschwerdeführer (Gerichtskosten = CHF 15′000.00).

PS: Der Fall ist auch mit Blick auf Beweisführung und -würdigung sehr interessant.

Rechtsschutz in klaren Fällen

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Art. 257 ZPO definiert den Rechtsschutz in klaren Fällen. Es handelt sich dabei um ein spezielles summarisches Verfahren: Als Vorbild für dieses Rechtsmittel dient das sog. Befehlsverfahren. Sutter-Somm, Schweizerisches Zivilprozessrecht, N 917:

Das Befehlsverfahren gelangt häufig bei Mietausweisungen, Besitzesschutzklagen (vgl. Art. 927 ff. ZGB) sowie bei der Durchsetzung materiell-rechtlicher Auskunftsanspruche zur Anwendung (vgl. z.B. Art. 400 Abs. 1 OR; Art. 170 ZGB). Zu beachten ist allerdings, dass die Kantone statt des Befehlsverfahrens für den Besitzesschutz auch vorsorgliche Massnahmen zur Verfugung stellen konnen. Denn es ist Sache des kantonalen Rechts, fiir Klagen aus Besitzesentziehung (Art. 927 ZGB) oder Besitzstorung (Art. 928 ZGB) das Verfahren zu regeln (vgl. BGE 94 II 348 ff., 351 E. 2).

In der Anwaltsprüfung kommt es oft vor, dass die Kandidaten ein Gesuch um Mieterausweisung (Exmissionsgesuch) zu verfassen haben. Der Exmission liegen meist folgende drei Sachverhalte zu Grunde: More

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