Wirtschaftsfreiheit und amtliche Verteidigung

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In BGer 1B_81/2010 vom 4.5.2010 hält das Bundesgericht fest, dass der amtliche Verteidiger sich nicht auf Art. 27 BV berufen kann, insbesondere um dadurch einen Wechsel der amtlichen Verteidigung zu verlangen.

3.
Der Beschwerdeführer 2 [jener Rechtsanwalt, der als neuer amtliche Verteidiger eingesetzt werden wollte] macht eine Verletzung der Wirtschaftsfreiheit im Sinne von Art. 27 BV geltend. Es mag offen bleiben, ob der angefochtene Entscheid in dieser Hinsicht einen Endentscheid darstellt.
Der amtlich bestellte Rechtsbeistand übernimmt mit der Vertretung einer bedürftigen Partei eine öffentliche Aufgabe und tritt zum Staat in ein vom Verfahrensrecht umschriebenes besonderes Rechtsverhältnis. Der Rechtsbeistand wird amtlich bestellt und wird vom Staat entschädigt. Ein Wechsel des Offizialverteidigers bedarf der behördlichen Genehmigung. Die im kantonalen Register eingetragenen Anwälte sind nach Art. 12 lit. g Anwaltsgesetz (SR 935.61) verpflichtet, amtliche Pflichtverteidigungen und im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege Rechtsvertretungen zu übernehmen (vgl. zum Ganzen BGE 131 I 217 E. 2.4 S. 220; 132 V 200 E. 5.1.4 S. 205). Diese Eigenheiten – die sich von der Konstellation der privaten Verteidigung unterscheiden – erklären sich mit der Pflicht des Staates, zugunsten bedürftiger Parteien für einen tatsächlichen Zugang zum Gericht, eine effektive Wahrung der Rechte und ein faires Verfahren zu sorgen (vgl. Urteil 1B_74/2008 vom 18. Juni 2008 E. 4). Kommt der Offizialverteidigung insoweit der Charakter einer öffentlichen Aufgabe zu, steht diese Tätigkeit nicht unter dem Schutz der Wirtschaftsfreiheit. Daran vermögen weder das Binnenmarktgesetz noch das Anwaltsgesetz etwas zu ändern (vgl. zum Ganzen BGE 128 I 280 E. 3 S. 281; 113 Ia 69 E. 6 S. 71). Bei dieser Sachlage geht die Berufung des Beschwerdeführers 2 auf Art. 27 BV fehl und erweist sich die Beschwerde in dieser Hinsicht als unbegründet.

Fazit: Es ist wichtig, den Unterschied zwischen amtlicher und privater Verteidigung stets vor Augen zu halten.

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  1. Hayki
    May 12, 2011 @ 08:26:47

    In BGer 2P.46/2001 vom 20.8.2001 hält das Bundesgericht im Falle einer privaten Mandatsführung hingegen Folgendes fest:

    Wird ein Anwalt für Äusserungen, die er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit macht, mit einer Sanktion belegt, so kann er sich auf die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und insbesondere auch auf die Meinungsfreiheit (Art. 16 BV) berufen (BGE 125 I 417 E. 3b und 4a S. 422; 124 I 310 E. 3a S. 313; 108 Ia 316 E. 2 S. 318, je mit Hinweis).
    Allerdings sind Einschränkungen zulässig, sofern sie auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind (Art. 36 BV).

    In diesem Fall hatte sich der Anwalt “ein aufsichtsrechtlich unzulässiges Verhalten zu Schulden kommen lassen”, indem er folgenden Satz der Gegenpartei geschrieben hat:

    “Im übrigen darf ich Sie in Kenntnis setzen, dass sich mein Mandant – entsprechend ihrem ‘Vorbild’ – vorbehält, Kopien dieses Schreibens an die interessierten Personen zu versenden.. “

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